Stimmungsbild vom Banken-Symposium Wachau 2020

12.10.2020 – Dass das 5. Banken-Symposium Wachau tatsächlich stattgefunden hat, war unserer Sturheit und dem Durchhaltevermögen unseres Teams geschuldet. Dass der Kraftakt Sinn gemacht hat, zeigen die vielen positiven Reaktionen der TeilnehmerInnen.
Diese waren sichtlich froh, wieder einmal Gelegenheit zu haben, unter Menschen zu sein. Wenn auch mit mehr Abstand als sonst und mit Mund-Nasen-Schutzmasken im Innenbereich, so war doch spürbar, dass der Bedarf nach persönlichen Gesprächen in den letzten Monaten, die von Homeoffice und Social Distancing gekennzeichnet waren, deutlich zugenommen hat.
Die positive Grundstimmung war deutlich spürbar. Und das Interesse an der digitalen Transformation des Bankgeschäfts ist ohnedies ungebrochen, wenn auch mittlerweile klar wird, dass die Digitalisierung des Bankgeschäfts mit keiner plötzlichen Disruption der bestehenden Verhältnisse einhergeht, sondern zu einer dauerhaften Aufgabe der Institute geworden ist: eine permanente Adaption und Verbesserung von Prozessen, verbunden mit der Etablierung neuer Technologien und der Herausforderung, alte Legacy-IT Systeme anzupassen bzw. abzulösen. Es müssen also echt dicke Bretter gebohrt werden.
Dass die digitale Transformation eher Evolution denn Revolution ist, bestätigte auch FMA-Vorstand Helmut Ettl in seiner Key Note. Die Finanzmarktaufsicht publizierte 2019 eine Studie zur „Digitalisierung am heimischen Finanzmarkt“ und im Februar 2020 die Ergebnisse eines Call for Input an dem sich viele Banken beteiligt hatten.
In ihren Studienergebnissen wirft die FMA einen durchaus kritischen Blick auf die „Digitalisierungsperformance“ der heimischen Bankenbranche. So wird etwa festgestellt, dass „die Kundenwünsche generell nicht ins Zentrum der digitalen Weiterentwicklung gestellt werden“. Vielmehr ginge es darum, die eigenen Prozesse zu verschlanken, um dadurch die Kostenstruktur zu entlasten.
Diese Tatsache wurde dann auch in der anschließenden Podiumsdiskussion heftig kritisiert – etwa von Robert Ulm, CEO der Hello Bank. Seiner Meinung nach würden viele Häuser das Thema nicht ernst genug nehmen. „Es reicht nicht“, so Ulm, „dass man einen Chief Digital Officer ernennt. Vielleicht sogar noch jemanden, der zuvor Firmenkundenberater war.“ Für ihn wäre es unerlässlich, die Brille des Kunden aufzusetzen und kompromisslos dessen Interessen zu folgen.
Spannend zu hören waren auch die Inputs von Martin Thomas, der als Vorstand die bank99 gegründet hat und mit dieser am 1. April – mitten im Lockdown – live gegangen ist. Seiner Ansicht nach sind das digitale Geschäftsmodell der neuen Bank und die Präsenz in der Fläche – über Postämter und Postpartner – kein Widerspruch. Nicht zu digitalisieren würde bedeuten, die Realität zu ignorieren und der physische Vertriebsarm der bank99 macht deshalb Sinn, weil er durch die Zusammenarbeit mit der Post entsprechende Kostenvorteile bietet.
An die Diskussion anschließend konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mehrere Vorträge und Workshops besuchen. Drei der Workshops standen unter dem Motto „Neue Technologien für die Branche zum Anfassen“. Dabei präsentierte Andreas Jenewein von der vidone GmbH seine interaktive Videoberatungskabine „INES“. Ein ansprechend designter Beratungsplatz, der im Grunde überall aufgestellt werden kann und über eine Live-Schaltung den Kunden mit seinem Berater verbindet.
Ebenso interessant war die Vorstellung eines modernen SB-Geräts durch Friedrich Wahnschaffe von NCR Austria und der Workshop zu konkreten Anwendungsgebieten künstlicher Intelligenz von Franziskos Kyriakopoulos, CEO des Linzer Unternehmens 7Lytix. Hier wurde klar, dass die Banken nach wie vor zu wenig aus jenen Daten machen, die sie selber erheben und deren Nutzung rechtlich auch erlaubt ist. Die Anwendungspalette intelligenter Algorithmen reicht vom Ausweisen eines „Best Next Offer“, über die Vorhersage von Risikokosten, bis hin zu Churn Prediction und Churn Management – also der Vermeidung von Kundenabwanderungen.
Einer der Höhepunkte des Tages war zweifellos der abschließende Vortrag von Christian Pirkner, CEO der Blue Code International AG. Er ging hart ins Gericht mit Banken, die sich durch die Aufnahme von Apple Pay ins eigene Produktportfolio allzu leichtfertig in ein riskantes Verhältnis mit einem Technologieriesen begeben würden. Dadurch würden, so Pirkner, die Banken ihre Kundenschnittstelle aufgeben und die Customer Journey einem Drittanbieter überlassen. In den USA vertreibt Apple bereits eigene Kreditkarten – Issuer ist Goldman Sachs – und zieht somit einen weiteren Teil der Wertschöpfungskette von den Banken an sich.
Als europäisches Gegengewicht hat Blue Code mit anderen Mobile Payment Anbietern die EMPSA gegründet – die European Mobile Payment Systems Association. Deren Ziel ist die Etablierung einer europäischen Lösung für mobiles Bezahlen in der grenzüberschreitend mit den jeweils nationalen Solutions bezahlt werden kann. Ähnlich dem Roaming aus dem Bereich Mobilfunk soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass etwa ein schwedischer Kunde mit seiner nationalen App „Swish“ in Österreich mobil bezahlt. Fremdwährungstransaktion und Abwicklung inklusive. In diesem Bereich befindet sich EMPSA im Teststadium. Erste Versuche verliefen erfolgreich.
Am Ende wurde auf der herrlichen Aussichtsterrasse des Stifts – mit Blick über Krems bis Dürnstein – Wein verkostet und noch lange weiter diskutiert. Dass das Banken-Symposium Wachau aber jedenfalls einen wichtigen Austausch- und Diskussionsbedarf abdeckt, bewies die Tatsache, dass die letzten Besucher erst das Stift verließen als schon lange die Sonne über dem Jauerling untergegangen war.