BSW 2019: Big Tech und der War for Talents sind die großen Herausforderungen

10. Mai 2019
Wenn 150 Banker und Experten aus IT, Beratung, Fintech und Wissenschaft einen ganzen Tag zuhören, diskutieren und vortragen, dann ist die Extraktion der Quintessenz nicht einfach. Es sind viele Themen, die die Branche umtreiben und die Entscheidungen und Lösungen erforderlich machen. Die Kernaussagen des vierten Banken-Symposium Wachau sollen hier dennoch grob umrissen werden.
Die Bankfiliale ist kein Auslaufmodell. Zu groß ist die Nachfrage – oder besser, „gefühlte Nachfrage“ der Kunden danach. D.h. Filialen werden natürlich viel weniger genutzt als früher, allerdings legt ein großer Teil der Menschen Wert darauf, eine Bank mit Filialen zu haben. In dieser Situation werden die Zweigstellen eher zum „Gütesiegel“, als zum Ort, an dem man sich tatsächlich als Kunde auch manchmal blicken lässt.
Wo noch Beratung stattfindet, sind es sozial und digital kompetente Mitarbeiter, die den Ausschlag geben bzw. die Existenzberechtigung einer Filiale darstellen. Da waren sich die Teilnehmer der Veranstaltung ziemlich einig. Weil es aber genau in diesem Bereich Defizite gibt – was u.a. auf die reduzierten Ausbildungsbudgets der Banken zurückzuführen ist – war der sogenannte „War for Talents“ ein zentrales Thema des BSW 2019. Marco Quége von Mercuri Urval stellte sehr anschaulich dar, wie radikal sich der Arbeitsmarkt gerade verändert. Nicht mehr die Arbeitgeber entscheiden, wen sie gerne einstellen möchten, sondern die begabten Mitarbeiter wählen, wo sie hingehen. Auch Ernst Huber, CEO der DADAT Bank verwies darauf, dass durch die restriktive Personalpolitik der letzten Jahre eine ganze Generation an jungen Arbeitnehmern für die Banken verloren ging. Es macht keinen Sinn, mit „alten Dinosauriern“, wie er meinte, die Digitalisierungsthemen der Zukunft zu lösen.
Marco Quege, Mercuri Urval: Banken müssen auf ihr Humankapital achten.
Ziemlich erschreckend fiel eine Publikumsumfrage zum Thema „Banken als Arbeitgeber“ aus. Die Teilnehmer wurden gefragt, ob sie Freunden eine Bank als Arbeitgeber ohne Einschränkungen empfehlen würden: der errechnete Net Promoter Score lag bei minus 24. Marco Quége relativierte das dann aber, indem er festhielt, dass solche Werte typisch sind für Branchen, die sich in einem Transformationsprozess befinden, wo die Unsicherheiten groß sind.
Armin Schmitt, Leiter Financial Services Advisory und Partner bei Ernst & Young betonte, wie wichtig es sei, im Bankgeschäft die Komplexität zu reduzieren. Das bezog er v.a. auf die überbordende Anzahl an Produkten und die häufig „historisch gewachsene“ IT Landschaft in den Kreditinstituten. Man konnte jedoch zweifeln daran, ob diese Absicht auch erreichbar sei, beim Blick auf die vielen neuen Trends, v.a. aus Asien, die von Marion Morales Albinana-Rosner, Head of Retail Strategy bei der Bank Austria, präsentiert wurden. Sie bot einen sehr interessanten Blick über den Tellerrand, der einen guten Eindruck vermittelte, was da noch so auf Banken und deren Kunden in den nächsten Jahren zukommt.
Voice Banking wird sich durchsetzen, weil Menschen 4x schneller sprechen als tippen können, meint Marion Morales von der Bank Austria.
Zum Beispiel die „Smile to Pay“ Technologie von Alipay aus China. Ein Tablet, das die Kassa in Shops ersetzt und Kunden mit einem einfachen Lächeln ihre Rechnungen zahlen lässt. Dahinter steht eine Authentifizierung mittels Biometrie. Oder die sogenannten „Invisible Payments“, wo Produkte, die man kauft, mittels Mobiltelefon gescannt und automatisch bezahlt werden. Ebenso präsentierte sie die (beinahe) vollständige Digitalisierung des Prozesses zum Abschluss eines Hypothekarkredites. Nur mehr zum Unterschreiben muss der Kunde physisch präsent sein – dem Grundbuch geschuldet. Selbst das hat ein Ablaufdatum. Eine Entwicklung, die vor wenigen Jahren noch undenkbar war.
Die wahre Herausforderung für die Branche sieht Marion Morales im Bereich der Big Techs, also Unternehmen wie Amazon, Apple oder Google. Diese sind ungeheuer stark in den Bereichen Customer Experience und Big Data, und von daher ist über kurz oder lang zu erwarten, dass solche Unternehmen mit sehr einfach zu bedienenden und bequemen Apps auf Kundenfang gehen werden. Apps die via Smartphone dafür sorgen werden, dass die Banken möglicherweise ihr direktes Interface zum Kunden verlieren.
Dass aber auch heimische Unternehmen tolle Produkte mit Big Data im Hintergrund zustande bringen, zeigte sehr eindrücklich der Vortrag von Franz Tretter, Gründer von hello again, einem Unternehmen, das sich mit mobilen Formen der Kundenbindung auseinandersetzt. Gemeinsam mit Günter Nentwich, dem Marketingleiter der Raiffeisenbank Wels, präsentierte er Möglichkeiten der sogenannten Gamification, die Kunden bindet und zur aktiven Kommunikation mit der Bank animiert.
Franz Tretter von hello again baut Lösungen zur digitalen Kundenbindung.
Über solche Elemente, wie Punkte sammeln und einlösen, Status steigern, Ehrenkunde werden oder den beliebtesten Berater zu wählen, werden zwar häufig die Nasen der klassischen Banker gerümpft, aber vielleicht ist das ja genau der richtige Weg: etwas mehr unverkrampfte, spielerische Kommunikation und weniger „Grabesstimmung“ wie man sie laut Armin Schmitt von EY eben häufig in Filialen antrifft.